Mit 1,3 Promille im Klassenzimmer
Mohammed ist Moslem und trinkt keinen Alkohol und dennoch weiß er seit gestern in etwa, wie es sich anfühlt, mit 1,3 Promille durch die Welt zu laufen. Wie fast 200 andere Schülerinnen und Schüler der Berufsschule Haßfurt nahm er am Verkehrssicherheitstraining des ADAC teil, das auch heute noch an der Schule stattfindet. Im Mittelpunkt stehen bei diesen Besuchen des Verkehrsclubs die Themen Alkohol, Medikamente und Drogen und ihr Einfluss auf die Verkehrssicherheit. Die meisten Berufsschüler haben bereits Erfahrungen mit Alkohol gemacht. Manche sind stolz auf ihren Alkoholkonsum, andere trinken nur gelegentlich. David Paupelmann hat da schon die interessantesten Antworten erhalten, wenn er zu Beginn seiner Vortragsstunde nach dem Trinkverhalten der jungen Leute fragt.
Die Berufsintegrationsklasse der Asylbewerber fällt da etwas aus dem Rahmen, neun von 16 Nicht-Trinker, diese Quote ist ausgesprochen selten. Das liegt einerseits am Glauben, doch nicht jeder Moslem verzichtet wirklich durchgehend auf Alkohol. Manche in der Runde mögen auch die Verhaltensänderung nicht, die Alkoholgenuss mit sich bringt. „Man vergisst, was man gesagt oder getan hat“, sagt Almaz. Einmal hat sie Alkohol probiert, das hat ihr gereicht.
Einige werden auch nach dem Zurücklegen des Parcours nachdenklich. Anfangs ist es noch lustig, als Mohammed seine Füße zählt und vier feststellt. Doch im Parcours verliert er zwischendurch komplett die Orientierung und ist froh, als er sein imaginäres Auto in der Garage abgestellt hat. Zwei Bäume und das Garagentor mussten vorher „dran glauben“. Bei Alexander gibt es alle paar Wochen mal Alkohol „wenn Gäste kommen“. Er läuft sicherer los als Mohammed, aber in der ersten Kurve wird es schon schwieriger. „Oh mein Gott“ entschlüpft es Tigist beim ersten Blick durch die Brille, die etwa 1,5 Promille bei Dämmerung simuliert – allerdings ja nur das Sehen beeinträchtigt. Die anderen Sinne, die der Alkohol normalerweise ebenfalls beeinflusst, haben die Schüler weiterhin zur Verfügung. Dennoch dauert es lange, bis sie am Ende des Parcours auch die verlorene Münze wieder eingesammelt haben. „Das ist der Tunnelblick“, erklärt David Paupelmann.
Die Schulleitung der Heinrich-Thein-Berufsschule und der Ortsclub Haßfurt des ADAC sind überzeugt, dass diese hautnahe Erfahrung wichtigen Einfluss auf die jungen Leute und ihr Trinkverhalten haben kann. Einerseits haben sie viel Spaß in dieser Stunde, doch sie kommen auch ins Nachdenken. Deshalb unterstützt die Ortsgruppe Haßfurt dieses Projekt „Sicherheitstraining auf dem Stundenplan“ und ihr Vorsitzender Jürgen Borowka begleitete auch die erste Stunde des zweitägigen Aufenthalts an der Schule.
Nach wie vor ist die hohe Unfallbeteiligung junger Erwachsener im Straßenverkehr ein großes Problem, Die Gruppe der 18- bis 24jährigen Verkehrsteilnehmer ist bei Unfällen mit Personenschaden in fast 25 Prozent der Fälle Hauptverursacher, bei Unfällen mit Todesfolge sogar in 33,6 Prozent. 19 Prozent aller Getöteten und jeder fünfte Verletzte im Straßenverkehr gehören zu dieser Altersgruppe. Und das, obwohl die Altersgruppe nur einen Anteil von 8,3 Prozent an der Gesamtbevölkerung hat. Als Unfallursachen dominieren bei jungen Leuten nicht angepasste Geschwindigkeit und Vorfahrtsverletzungen. Auch Alkohol spielt eine überdurchschnittlich große Rolle.